Liebe H.,
als ich dich vor über 35 Jahren zum ersten Mal sah – in einem braunen Strickpulli (aus venezulanischer Alpakawolle?) mit deinen Eltern in der Aula unserer Schule und direkt neben mir sitzend -, hat wohl keine von uns geahnt, dass das der Anfang einer Freundschaft sein würde, die uns ein Leben lang begleitet.
Nachdem wir jetzt so viele Jahre hinter uns haben, in denen wir uns trotz noch so viel räumlicher Distanz und unterschiedlicher Lebenswege nicht aus den Augen verloren haben, gehe ich davon aus, dass wir uns auch in der Zeit, die wir noch vor uns haben, weiterhin erhalten bleiben.

Du & ich, du & meine Penny, wir & unsere Partys.
Apropos Zeit.
Neulich erschrak ich ziemlich, als ein Geschenk von dir plötzlich und unerwartet den Geist aufzugeben drohte. Ich tendiere blöderweise gelegentlich dazu, sowas für „ein Zeichen“ zu halten…
Das Handrührgerät, das du mir 1992 geschenkt hast – du erinnerst dich hoffentlich: es war das Jahr, in dem wir in meiner Würzburger Studentenbude gemeinsam Anti-Familien-Weihnachten feierten, uns erst an Nudeln überfraßen und danach im „Zauberberg“ Tanzen gingen -, schien nach 25 Jahren Einsatz allmählich seinen Dienst quittieren zu wollen. Es läuft nicht mehr so quirlig wie gewohnt und macht neuartige Geräusche, die nichts Gutes verheißen. Seine Tage sind, fürchte ich, gezählt. Die Trennung wird mir schwerfallen, wenn es dann mal soweit ist.
Ich will nicht meckern, denn was hält heutzutage überhaupt noch 25 Jahre?! Und, ganz ehrlich, dieses Handrührgerät ist ein Stück weit auch zum Sinnbild für unsere Freundschaft geworden: Solide und robuste Markenware, auf die man sich jahrzehntelang verlassen kann, selbst wenn sie zwischendurch mal seltener in Gebrauch war.
Geschätzte 3.017 Mal ist das gute Stück im Einsatz gewesen für Teige und Füllungen aller Art, und wenn ich einen Wunsch äußern dürfte (obwohl heute der Tag ist, an dem nicht ich, sondern du Wünsche erfüllt bekommst), wäre es dieser: Möchtest du nicht eines Tages den Nachfolger von Bosch-Spot besorgen, dann könnte der uns weitere 25 Jahre als Sinnbild dienen, und wir hätten schon fast die Zeit bis zum Heim überbrückt (dort püriert und quirlt ja dann die Heimküche für uns).
Verzeih‘ den kleinen Exkurs. Dein Geburtstag ist natürlich kein geeigneter Anlass, um über die ferne Zukunft im Altenheim zu philosophieren (davor passiert ja schließlich noch viel anderes im Leben wie z.B. unsere bereits als Teenager beschlossene gemeinsame Krampfader-OP). Zwar erinnert jeder Geburtstag zwangsläufig auch ein bisschen ans Älterwerden, aber mit unserem Jahrgang muss einen das ja noch nicht allzu nachdenklich stimmen oder gar bestürzen.
Sofern du die bisherigen Beiträge dieser Geburtstagsserie auf meinem Blog verfolgt hast, weißt du ja, dass das Highlight des Beitrags stets ein fürs Geburtstagskind maßgeschneiderter Song ist – nach Möglichkeit einer aus dem schier unerschöpflichen Bruce-for-birthday-Fundus (wenn schon leider nicht „for president“).
Bei niemandem fällt mir das leichter als bei dir!
Denn ohne dich gäbe es diese Art der Gratulation womöglich gar nicht. Wären wir nicht 1985 dicke Freundinnen gewesen, hättest du vielleicht eine andere mit ins Münchner Olympiastadion genommen, als deine Mutter von ihrem Chef diese Freikarten für Bruce Springsteen bekommen hat.
Für mich war das der Beginn einer lebenslangen Liebe, bestimmt auch, weil es (im zarten Alter von 12 bzw. 13) unser allererstes Konzert war – quasi ein Initiationserlebnis.
Und kein Song passt besser zu unserer Geschichte als dieser hier:
Well, we busted out of class
had to get away from those fools
We learned more from a three minute record
than we ever learned in school
Tonight I hear the neighborhood drummer sound
I can feel my heart begin to pound
You say you’re tired and you just want to close your eyes
and follow your dreams down
We made a promise
We swore we’d always remember
No retreat, baby, no surrender
Like soldiers in the winter’s night with a vow to defend
No retreat, baby, no surrender
Dem habe ich nichts mehr hinzuzufügen, liebe H.
Und hör‘ genau hin, es ist eine leicht abgewandelte Version, mit einer tollen weiteren Zeile drin (außerdem ist die verwackelte, aber rührende Aufnahme aus den 1980er Jahren, von einem Konzert in Kanada, wohin es dich ja mal kurz verschlagen hatte).
Happy birthday & alles Liebe & no retreat, baby, no surrender!
Deine Kraulquappe.
Herzerwärmend!
Gefällt mirGefällt 1 Person
Liebe Kraulquappe, unendlich vielen Dank für dieses wunderschöne Geschenk. Ich war von sprachlos, zu Tränen gerührt und am Ende einfach nur dankbar, dass es diese wunderbare Freundschaft gibt und dass sie schon so lange hält. Vielen Dank auch für die Auswahl des Songs, einfach großartig! Nicht um alles in der Welt werde ich diesen Tag im Münchner Olympiastadion vergessen, als wir Bruce zum ersten Mal sahen. Und natürlich die vielen anderen Erlebnisse, die uns schon so lange verbinden. Es ist schön, Menschen wie Dich zu haben. Sei herzlichst umarmt, danke danke danke, Deine H.
Gefällt mirGefällt 1 Person
Liebe H.,
bitte, bitte, bitte!
Freut mich, dass es gut ankam, so war’s gedacht.
Herzlichst, deine K. oder N. oder T.
Gefällt mirGefällt mir
In einem älteren Beitrag von Dir habe ich kommentiert, dass ich für die sehr persönlichen Geburtstagsgrüße keine „Gefällt mir“ anklicken möchte, weil ich mich unter anderem als „Eindringling“ fühle… aber hier ein „Gefällt mir“ (sehr) für den – ich zitiere elefantenblau – herzerwärmenden Beitrag und dass auch eine Frage von mir indirekt beantwortet wurde, nämlich: Wie ist die Kraulquappe zu unserem Boss gekommen?
Ganz liebe Grüße,
Sori
Gefällt mirGefällt 1 Person
Danke für die Blumen – und mich würde umgekehrt natürlich auch interessieren, wie deine Liebe anfing.
Herzliche Grüße!
Gefällt mirGefällt 1 Person
http://sori1982.blogspot.co.at/2013/06/ruckblick-25062003-bruce-springsteen.html
Das „Born In The U.S.A.“-Missverständnis habe ich aus Kapazitätsgründen nicht erwähnt und die Micky Maus-Sammelkarte suche ich immer noch…
Gefällt mirGefällt 1 Person
Sehr nette Geschichte – hab’s nebenher beim Kochen in aller Ruhe gelesen. Es ist immer schön, zu erfahren, wie, wann und warum andere zum lebenslangen Tramp „mutiert“ sind 🙂
Prost nach Wien (ich hatte grad das Säbelglas vor mir!)!
Gefällt mirGefällt 1 Person
Und dieser Bruce Springsteen hat keine Ahnung davon, auf welch schöne und poetische Weise Du seine Songs zitierst!
Gefällt mirGefällt 1 Person
Pingback: Mit der Tobelfee am Nobelsee. | Kraulquappe