(Die Beitragsüberschrift, passend zu den hinter uns liegenden Hundstagen, wurde entnommen aus: Friedrich Nietzsche. Briefe. An Heinrich Köselitz, 30. Juli 1887. )
Nach der Rückkehr aus Österreich brauchte ich diesmal ein paar Tage: zum Ankommen, zum Sortieren und um mich wieder in das Hiesige einzuklinken.
Ein Bergtag bei Lenggries mit schöner Überraschungsbegegnung auf der Hüttenterrasse, ein Schwimmabend mit dem Gatten und dem Fräulein am Lieblingsplatz des Starnberger Sees (überhaupt: das Schwimmen und der Bergsport, was für eine wohltuende Kombination und endlich ist wieder beides regelmäßig möglich) und ein Morgengassi samt Zweitfrühstück mit dem hübsch Bewimperten halfen doch sehr dabei.
Vor der Haustür bzw. auf der Theresienwiese werden neue Corona-Teststationen errichtet und in Betrieb genommen, daneben wummert die Musik von der kleinen, bewundernswerten Initiative „Kunst im Quadrat“, gegenüber der Drive-In-Zelte für den kostenlosen Rachenabstrich lungert die daheimgebliebene Menschheit kostenlos unter Palmen herum und pinselt sich den Rachen mit Alkohol aus, ein paar turnen auch übermütig und teils sogar recht talentiert auf dem Parkourgelände herum.
An die morgendlichen Müllberge hat man sich zwischenzeitlich fast schon gewöhnt, an den immer noch mit Verschwörungstheorien hausierenden und nervenden Nachbarn allerdings nicht.
Es kommt zu einer kleinen Entgleisung in Form einer minimalen Beschimpfung, als besagter Nachbar einem bei einer Zufallsbegegnung im Treppenhaus mal wieder ungebeten eine coronakritische Frage vor den Latz knallt – ich kann diesen „Ihr armen Unwissenden, Massenmediengläubigen und Noch-nicht-Erleuchteten“-Gesichtsausdruck, den seine Visage bereits einnimmt, bevor die tendenziöse Frage seinen Mund verlässt, schlicht nicht mehr sehen.
Im Grunde sind das auch gar keine echten Fragen, die er an uns hat, sondern lediglich plumpe Aufhänger, um sein Reservoir seiner Antworten auf Fragen, die wir seiner Ansicht nach dringend haben sollten, ungefragt vor unseren Füßen ausleeren zu können.
Ohnehin stelle ich von Woche zu Woche eine größere Gereiztheit bei mir fest, wenn ich diese neunmalklugen oder zehnmalignoranten Egoisten bzw. in einer Diktatur Lebenden sehe, höre, erlebe oder von ihnen lese.
Umso froher bin ich, wenn ich Anderes lese (ohnehin ein äußerst empfehlenswerter Blog).
Die Ferienzeit hier in Bayern bringt im Coronasommer 2020 etliche Tücken mit sich, die eine Umstellung der Gewohnheiten nötig machen.
An die Isar gehen wir jetzt nur noch wochentags zur Morgen- oder Mittagszeit, bevor das Partyvolk (ich habe gelernt: „Feiern“ ist offenbar ein menschliches Grundbedürfnis wie Essen, Trinken, Verdauen und Schlafen) das Flussufer bevölkert und zumüllt.
Die schönen Seen in der Umgebung besuchen wir ausschließlich nach 19:30 Uhr, wenn dort keiner mehr meckert, weil man einen Hund dabei hat und man problemlos Abstände einhalten kann, weil kaum noch jemand dort herumliegt. Leider liege ich dort nicht mal abends lange herum, weil die Mücken mich sehr lieben, was leider nicht auf Gegenseitigkeit beruht.
In die bayrischen Berge geht es seit Sommerferienbeginn nur noch antizyklisch und nur noch dorthin, wo keine Bergbahnen/Sessellifte in der Nähe sind und die Anliegergemeinden noch nicht namentlich in der Presse erwähnt wurden (wegen verzweifelter Einwohner, die sich vor lauter Parkwahnsinn und Touristen nicht mehr zu helfen wissen und Ranger einsetzen, die die Wildparker,-camper und -biesler zur Räson bringen sollen).
Positiv zu erwähnen ist: Abgesehen von den üblichen Hotspots (ein Wort, das ich nun letztmals niederschreibe, weil ich dessen inflationäre und teils auch idiotische Verwendung nicht mehr ertragen kann) leert sich die Stadt zusehends. Zum Lieblingsbad sind es nur noch 10 Minuten statt 15, zum Englischen Garten nur noch 13 Minuten statt 20. Der Oberjägermeisterbach ist nicht mehr beidseitig belegt, so dass das Fräulein wieder ungestört ihr Bad nehmen kann und man läuft auch nicht mehr Gefahr, dass auf der Wiese, auf die sie saust, um sich nach dem Bade zu schütteln, ein Nackerter benetzt wird.
Ebenfalls erfreulich: Auch den Psocoptera scheint es zu heiß geworden zu sein, sie sind – bis auf vereinzelte Mitglieder ihrer Großfamilie, die eisern die Stellung halten – verreist. Dass sie im Begriff sind, komplett und für immer auszuziehen, möchte ich lieber noch nicht beschreien, das glaube ich erst, wenn wir ein paar kühlere, nassere Tage in Folge erlebt haben werden, in denen sie nicht erneut in Windeseile unser Bad okkupieren.
Die Prognose des Schädlingsbekämpfers hat sich ohnehin bewahrheitet: sowas dauert Monate. Drei waren es bis jetzt, hoffen wir, dass es bei dieser Quartalsqual bleibt und das Ganze nun ein Ende hat. Die Mietminderung nehme ich in jedem Fall so lange in Anspruch, bis die letzte Laus ihr Ränzlein geschnürt und sich aus dem Staub gemacht hat, den es hier wohlgemerkt nicht gibt, weil ich auch darauf allergisch reagiere (aber wie Sie dank des Ungezieferlexikons, das ich seinerzeit zur Thematik verlinkte, wissen, hat die Staublaus ja auch gar nichts mit Staub zu tun, es war nur irgendein Biologe zu doof, sie Schimmelsporenlaus zu taufen).
Apropos Staub. Die vor ein paar Tagen frisch geputzten Fenster sind schon wieder dreckig. Was nicht etwa am bösen Feinstaub der Großstadt liegt, sondern an dem Gewerkel von Lolek und seinen Jungs. Unten im Hof werden die Mauern renoviert. Der Vermieter hatte das seit einem Jahr angekündigt, dass er „dringend mal an das marode Mauerwerk ranmüsse“. Eigentlich wäre „kaschieren“ das bessere Wort gewesen für diese Pseudo-Ausbesserungsarbeiten, die da grad stattfinden: wie immer wird da nichts gründlich gemacht, sondern nur die gröbsten Schäden geglättet oder einfach drübergespachtelt und -gestrichen über all die Risse und Löcher. So ist das hier, da muss man mit leben.
Ansonsten gut gekocht und noch besser gegessen, ich bin ja ein bekennender Fan meiner eigenen Gerichte, allen voran den Quiches mit diversen Füllungen.
Am Samstag war der hübsch Bewimperte nebst seiner vierbeinigen Gefährtin zum Essen geladen, und auch zur Wohnungsbesichtigung, denn die beiden kannten die Räumlichkeiten hier noch gar nicht, weil wir uns ja fast immer draußen treffen.
Er beschenkt mich mit dem zweiten Blumenstrauß, den ich binnen zwei Tagen erhielt, normalerweise komme ich bloß alle zwei Jahre einmal in den Genuss von Schnittblumen. Wobei der Strauß, den ich am Freitag von Bekannten bekam, gar nicht so richtig zählt, weil das ein fertig gebundener war: zu bunt, zu kompakt, zu schnell welk und sowieso irgendwie lieblos, dieses aufgeblähte Büschel.
Die beiden Hundedamen liegen während des Abendessens harmonisch unterm Tisch, was allen Anwesenden das gute Gefühl vermittelt, dass das schon klappen würde mit dem geplanten, dreitägigen Dogsitting, sofern der hübsch Bewimperte seine kleine Reise diese Woche denn überhaupt antreten kann (wg. Reisewarnungen allerorten).
Es wäre jedenfalls kein Schaden, die beiden Fräuleins würden sich schon mal ans gemeinsame Übernachten gewöhnen, weil sie das wenig später ohnehin bewerkstelligen müssen, wenn wir uns dann zu viert ins Maiensäss verziehen, eine abgelegene Almhütte irgendwo in der Graubündner Bergwelt, wo sich Distanzfragen endlich mal wieder aus ganz anderer Perspektive verhandeln lassen: Wie weit ist es zum Bäcker im Tal? Kann man das Morgengassi bis zum Bergsee ausdehnen? Schaffen wir’s zum Abendessen ins Berggasthaus Gemsli (oder gibt es doch nur Nudeln mit Sauce aus dem in die Klause mitgenommenen Vorrat)?
In Google Maps schaut das ja alles recht nah beieinander aus, aber die dünnen Schlangenlinien sind vermutlich winzige Serpentinensträßchen und die topographische Darstellung lässt schon das eine oder andere Gefälle erahnen zwischen Hütte hier und Gasthaus dort.
Hoffen wir mal, dass die Schweizer uns noch einreisen lassen und uns ein paar schöne Spätsommertage dort oben beschieden sind.
Denn ab und an gibt es nun bereits Tage, die dezent nach Sommerende duften. Ich persönlich rieche zwar noch nichts, aber das Dackelfräulein reckt das Näschen an solchen Tagen auf eine andere Art schnuppernd in die Morgenluft, woran man untrüglich den nahenden Abschied der aktuellen Jahreszeit und die sich heranpirschende nächste erkennen kann, so war das schon bei meinem vorigen Dackel und darauf war immer Verlass und so wird es auch diesmal sein.
Vielleicht noch drei oder vier Wochen Sommer, vielleicht auch weniger. Womöglich nur noch drei oder vier Seebesuche an lauen Abenden. Spätestens, wenn der erste Spekulatius in die Supermärkte eingezogen ist, war’s das dann. Ich bin nicht unglücklich, wenn die momentane Affenhitze vorbei ist, nur das Laue der Nächte und das Sommerlichleichte an sich, das wird mir fehlen.
Der September ist ohnehin mein Lieblingsmonat und der Oktober kann in den Bergen schöner sein als die gesamte Sommersaison – erst im November wird’s atmosphärisch kritisch für mich.
Nebenbei endlich mal den Blog ausgemistet.
Die Speicherkapazität war nach viereinhalb Jahren und fast 900 Beiträgen endgültig am Anschlag, was vor allem an den vielen Schwedenreisen und -fotos lag, die ich Dussel seinerzeit dutzendfach unkomprimiert hier eingestellt hatte. Nun ist alles entrümpelt und aufgeräumt, quasi eine ganze Ära ausgelöscht (vieles sowieso überholt oder in der Versenkung verschwunden, Menschen wie auch die dazugehörigen Geschichten und vieles mehr, das meiste davon völlig verzichtbar), natürlich nicht ohne sie vorher zu exportieren, diese Ära, nur für den (zugegebenermaßen recht unwahrscheinlichen) Fall, dass ich als Autorin doch noch zu Lebzeiten so berühmt werde, dass sich die Verlage um jeden Schnipsel meines Schaffens reißen, um ihn in ein hübsches, mit „Die frühen Schriften (Band 1 von 7)“ betiteltes Bändchen zu packen und auf den danach lechzenden Markt zu werfen, man weiß ja nie, und endgültig wegwerfen kann man’s immer noch, das ganze Geschreibsel.
Sie, liebe Langzeitleserinnen und -leser, werden eh nix vermissen, weil Sie das alles ja kennen, gelesen und verinnerlicht haben, und wohl kaum eine/r der später hier Eingestiegenen oder der Neuankömmlinge wird sich je in die Frühphase dieses Blogs zurückverirren und alles nachlesen wollen, was hier in viereinhalb Jahren so geschah, gedacht, gefühlt und geschrieben wurde.
Meine drei Serien („Himmel der Bayern“, „Song des Tages“ und „Hund haben“), die sich über die Jahre hinweg doch einer gewissen Beliebtheit erfreuten, wurden in Gänze erhalten (weil wie sähe das denn aus, wenn auf einmal von 81 vorhandenen bayrischen Himmeln nur noch 48 auffindbar wären), ein paar der am meisten angeklickten/kommentierten Beiträge ebenfalls (und auch ein paar wenige, die mir aus persönlichen Gründen am Herzen liegen), die Bildergalerie hingegen habe ich – was vermutlich manch einen aus der geschätzten Leserschaft schmerzlich treffen wird (vor allem diejenigen, die hier überwiegend der Dackelfotos wegen vorbeischauen) – stark ausgedünnt.
Sollte das jemand gar nicht verkraften, bitte melden – wir haben sowieso einen „Best of Pippa“-Kalender in Planung, weil der Papa sich da immer drüber freut, und es macht keinerlei zusätzliche Mühe, ein paar Exemplare mehr drucken zu lassen und Ihnen eine pfotensignierte Ausgabe pünktlich zum Christfeste zuzustellen.
Vielleicht gibt’s demnächst auch noch ein neues Theme/Layout für den Blog, denn die Maid auf der roten Tretbootrutsche des Header-Bilds hat nun auch ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel und ihrer Haarpracht kam das Blond schon vor Langem abhanden, nur die Muskeln, das Muster des nicht vorhandenen Badeanzugs und die Grunddynamik sind noch annähernd dieselben wie auf dem Foto, das damals im Kalterer See aufgenommen wurde.
Naja, wir werden es sehen – und Sie dann natürlich auch.
Kommen Sie gut durch diese letzten Hochsommertage und seien Sie herzlich gegrüßt.
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