
Man nennt ihn auch „Das Auge des Blauen Landes“: Christian Kolb, den Chronisten und Fotografen, der in Murnau daheim ist mit seiner Galerie „Kistenblick„.
Er fängt unterschiedlichste Stimmungen rund um den Staffelsee gekonnt ein, porträtiert nicht nur die Menschen aus der Region, sondern auch Bäume und Brauchtum, und versteht es wie kein anderer, das so anmutige Murnauer-Werdenfelser-Rind in Szene zu setzen.

Warum Kistenblick?
Na ganz einfach: weil er von seiner Galerie am Murnauer Untermarkt aus mehr oder weniger direkt auf die Hohe Kisten, einen der markantesten Berge im benachbarten Estergebirge, blicken kann.
Freilich schaut er sich die Berge nicht nur aus dem Tale an, sondern steigt auch mal auf sie hinauf, denn als Fotograf muss man schon ab und an richtig auf Tuchfühlung gehen mit der Natur und mit den Sub- oder Objekten, die man ablichtet.
Gelegentlich gehen Flora und Fauna aber auch auf Tuchfühlung mit dem Fotografen – mal fällt ihm eine Feder vor die Linse, mal ein Habicht vors Boot – und dann gilt es, den Finger schnell am Auslöser zu haben oder die Geduld aufzubringen, sich der beabsichtigten Bildkomposition eher behutsam zu nähern.

Kunst und Können bestehen darin, offenen Auges durch die heimatliche Umgebung zu gehen und sich dabei vollkommen einlassen zu können auf das, was sich bei diesen Streifzügen hinter den Vorhang der Pupillen schiebt – damit den Impressionen ein anderes und adäquateres Schicksal zuteil wird als in Rilkes Panther, in dessen eingehegten Herzen sie einst still und stumm (ver)endeten.
Bei der Betrachtung der Bilder gingen mir gestern jedenfalls nicht nur die Augen, sondern auch das Herz auf: die Natur ist hier zur Leinwand für die Kunst geworden (und umgekehrt), Ort und Objekt(e) verschmelzen vorübergehend zu einem harmonischen Ganzen und zugleich bleiben die Kontraste zwischen den beiden Sphären doch sichtbar, weil man den Wind, der sachte durchs Schilf weht, auf dem Bild zwar an der Neigung der Halme erkennen, aber eben niemals real hören oder spüren kann.
Rund 40 großformatige, an Strohballen befestigte Fotografien säumen den schönen Spazierweg am westlichen Rand des Murnauer Mooses, den das Dackelfräulein und ich in der Nachmittagssonne entlangwandern.
Die gesamte Freiluft-Fotogalerie wird umrahmt von sattgrünen Wiesen und den weißen Spitzen des Estergebirges, einige der Exponate verleihen ihr den Charakter einer zauberhaften Natur-in-der-Natur-Installation, andere hingegen erzählen einfühlsame Geschichten vom Land und seinen Leuten.
Und ein paar der Aufnahmen rücken kleine, leicht zu übersehende Details ins rechte Licht oder lassen einfach die persönliche Imagination von der Leine.
Auch das Dackelfräulein ist von Anfang an leinenlos unterwegs. Ganz ihrem Spürsinn folgend weist sie mich auf weitere Ausstellungsstücke hin, die sich unmittelbar vor meiner Nase befinden, mir aber vor lauter Bilderbestaunen und Naturinhalieren komplett entgangen wären: da spitzt ein Wiesel aus dem Gras zu uns herüber, dort lockt der eine oder andere Pferdeapfel am Wegesrand, hinter einem der Strohballen hat sich ein köstlicher Klumpen Jauche versteckt und zu Füßen einer Wettersteingebirgsfotografie lädt ein frischer Maulwurfshügel zum genüsslichen Wälzen ein.

Vor einem kleinen Bauwagen sehen wir schließlich Christian Kolb höchstselbst in der milden Herbstsonne sitzen. Mit Kistenblick, versteht sich.
Zählt Besucher, macht sich Notizen und denkt wahrscheinlich inmitten der Idylle seiner aktuellen Ausstellung schon über weitere Projekte nach.

Pippa beschnuppert ihn kurz und lässt sich dann neben ihm ins kühle Gras sinken. Wir kommen miteinander ins Gespräch, ich werde ein paar Fragen los, erhalte Antworten und kündige beim Abschied meinen baldigen Besuch in seiner Galerie an – die neue rote Wand im Wohnzimmer könnte durchaus eine Fotografie vertragen, in Schwarzweiß natürlich. Vielleicht sogar eine von der Zugspitze, passen tät’s ja, in diesem Jahr.
Die Open-Air-Ausstellung „Das offensichtlich Unsichtbare“ in Grafenaschau wurde vor gut zwei Wochen eröffnet, ist noch bis 6. Januar zu sehen und lässt sich prima mit einer kleinen Wanderung durchs angrenzende Murnauer Moos und einem großen Kuchenstück im Café Habersetzer verbinden.
Sollten Sie in der Nähe sein und ortskundige Begleitung wünschen oder benötigen, melden Sie sich ruhig – das Fräulein und ich führen Sie für ein Stück Streuselkuchen & Wurst/Käse/Pferdeapfel gern ein bisserl herum – zumal wir gestern mit Sicherheit nicht zum letzten Mal dort gewesen sind.
Denn bei Nebel, Nieselregen oder Neuschnee werden die Fotografien nochmal völlig andere Reize entfalten, wie Christian Kolb uns versichert – und die wollen wir uns nicht entgehen lassen.
wow, eine wunderbare ausstellung, danke dir sehr für diesen beitrag. ein ausflug ins moos steht an … es gab eine zeit, da waren wir oft in murnau, gingen regelmäßig zu lichtmess mit laternen ins moos …
liebe grüße zu dir,
natascha
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Gefällt dir ganz bestimmt, liebe Pega, ich grüß dich ganz herzlich zurück!
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Wow, toll, da ist ja echt was los, in dem Moos dort 🙂
Dankeschön fürs Zeigen *freu*
Herzliche Grüße!
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Vielleicht ja mal Anlass, einen Ausflug ins Bayernland zu machen, Lu?
Liebe Grüße & dir einen schönen Dienstag!
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Stimmt. Das muss ich wieder mal machen 🤗
Herzliche Abendgrüße 💌
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Da beneide ich Euch beide glatt wieder einmal. Das hätte ich mir auch nicht entgehen lassen. Ich hatte in Murnau ja schon ein geschlossenes ‚Russenhaus’…
Ich freue mich schon sehr auf Nebel- oder Schneefotos dieser Motive auf diesem Blog in der nächsten Zeit, auch wenn Du dann sicher auf Rhabarberschorlen-Hacker-Pschorr unter freiem Himmel verzichten werden musst. 😉
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PS: ein schwarz-weißer Kistenblick bildet mit Gumbrecht bestimmt eine famose Einheit. Vielleicht sucht der Gatte noch ein schönes Weihnachtsgeschenk?
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Ich denke auch, dass das die perfekte Ergänzung zu Gumbrecht wäre. Vielleicht lassen der Gatte und ich die (sowieso immer nur kleinen) Weihnachtsgeschenke dieses Jahr ganz bleiben und gehen zu Kistenblick, gute Idee!
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Du wirst Murnau noch kennenlernen (klingt jetzt wie eine Drohung, aber das Gegenteil ist gemeint!), und dann nicht nur das „Russenhaus“…
Lustig, als ich das Glas mit der Schorle drin knipste, wusste ich, dass dir das auffallen wird und vielleicht ein Kommentar dazu kommt 🙂 (allerdings hätte ich drauf getippt, dass du dich besorgt erkundigst, wieso ich kein Weißbier trinke, wenn ich schon unter dem Himmel der Bayern sitze)
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Das Hexenbild im Nebel gefällt mir sehr gut.
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Mir auch.
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