Gehört Gelaufen Genossen Gewohnt

Einsiedlertage.

Well the missions are filled with hermits, they’re looking for a friend
The terraces are filled with cat-men just looking for a way in
Those orphans jumped on silver mountains lost in celestial alleyways
They wait for that old tramp Dog Man Moses, he takes in all the strays

Now don’t you grow on empty legends or lonely cradle songs
Billy the Kid was just a bowery boy who made a living twirling his guns
The night she’s long and lanky and she speaks in a mother tongue
She lullabies the refugees with amplifier’s hum

[Bruce Springsteen, „Song for Orphans“]

Noch bin es nicht ich, die verwaist ist.
Nur das Haus am Tegernsee steht leer, ich fahre hinaus und fülle es für zweieinhalb Tage.
Fülle es mit den Klängen des Akkordeons, fülle es mit morgendlichem Brezenduft, mit meinen Gedanken und den wenigen Gesprächen, die ich, im Sessel des abwesenden Papas sitzend, am Telefon führe, sofern das Dackelfräulein mir nicht diesen Platz mopst.

Fülle die letzte, wärmende Herbstsonne bergeweise in mein Herz.
Fülle die Trinkflaschen für mich und das Fräulein, um auf einsamen Wegen zu wandern.
Fülle dem Papa vor meiner Abreise den Kühlschrank, damit er gut übers verlängerte Wochenende kommt, wenn er heimkehrt von seiner Geburtstags- und Thermalbadewoche in Venetien.

Am Einsiedlertag laufen wir direkt ab Haustür los, hoch auf den Hausberg.
Die sonnige Terrasse des Wallberghauses empfängt uns mit heftigem Föhnwind und einer für diesen 18-Grad-Freitag erstaunlichen Leere. Tieffliegende Dohlen und ein freilaufender Rehpinscher ärgern das Fräulein, gabaliergrausige Beschallung und eine ranzlige Rosine im angeblich rosinenfreien Kuchen enervieren mich.
Doch dann spielen sie den richtigen Song vom Ostbahn Kurti und beinahe zeitgleich trifft noch eine Mail ein, die mich freut, und beschwingten Schrittes gehen wir schließlich weiter, erreichen die kleine Bergkapelle, lassen dort im Nachmittagslicht den Tag ausklingen und schweben anschließend zurück ins Tal.

Am Tag drauf umgehen wir den Wochenendansturm aufs Tegernseer Tal und spazieren auf einen Berg, von dessen Existenz wir bis dahin nicht einmal etwas ahnten: der Wasnerkogel bei Finsterwald.
Tolle Trampelpfade, herrliche Herbstwälder mit viel Wurzelwerk, oben eine schöne Sicht auf Blauberge, Guffert & Co., nur auf der Almwiese ein paar Menschen, abgesehen davon eine Fortsetzung des Einsiedlerfreitags.

Das Zusammensein mit dem kleinen Hund hat im Laufe des vergangenen Jahres eine Dimension erreicht, für die ich keine Worte mehr habe.
Wir sind, wie man so sagt, wortlos glücklich miteinander.
Überhaupt ist das ja das Wunderbare am Leben mit Hund: diese besondere Art der Verständigung, die kaum eines Geräusches bedarf, sofern man nicht gerade einen Kuhfladen oder Pferdeapfel passiert oder Proviant auspackt.
Diese Innig- und Einigkeit, ein stilles, seliges Einverstandensein miteinander und ein Aufeinanderbezogensein (falls man das in einem Wort schreibt, was ja dem entspräche, wie es sich anfühlt).

Abends, wenn die Sonne im Westen hinter dem Ringberg verschwunden ist, übe ich „Lili Marleen“, eines der drei Papa-Lieder, die ich auf dem Akkordeon spielen können möchte, bevor er ins Heim kommt, wie er diese letzte Lebensphase, so es sie denn in der Form geben wird, zu nennen pflegt.

„La Paloma“ geht mir mittlerweile schon recht flüssig von der Hand, die Lili Marleen dürfte bis Jahresende einigermaßen sitzen – dann fehlt mir nur noch „Island in the sun“.
(Danach bin ich gerüstet, so sag ich’s mir immer – und möchte zu gern dran glauben, dass man sich für derlei rüsten kann.)

6 Kommentare zu “Einsiedlertage.

  1. Das Schuhe-bunte-Laub-Foto hast Du für mich gemacht. Wunderschön!

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  2. Was für eine schöne Idee, ein Einsiedlertag …

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  3. Die Idee des Einsiedlertages gefällt mir außerordentlich gut, doch würde ich ihn nicht an ein festes Datum knüpfen. Mit meinen „Inseltagen“ praktiziere ich seit Jahren etwas ähnliches.

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  4. schön, dass Du den Papa umsorgst…
    ich liebe Deine Sehnsuchtsausflugsbilder…

    lg wolfgang

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