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Kurlaub oder: Impressionen von einer Pressereise.

Vor einer Woche brachen das Fräulein und ich reichlich erschöpft zu unserem einzigen, nicht unfallbedingt abgesagten oder verschobenen Vorhaben in diesem Sommer auf – zu sehr hing das Herz an der bereits im Februar mit einiger Mühe organisierten Pressereise nach Badgastein als dass man auch das noch hätte sausen lassen wollen. Und selten hat ein Aufenthalt in einem Kurort besser gepasst als momentan.

Guten Morgen, Gasteinertal!

Allerdings hat es auch selten so lange gedauert, bis Ankommen und Abstandbekommen geklappt haben. Die ersten vier Tage in Badgastein vergehen in einer ungewohnten Mischung aus Anspannung, Ängstlichkeit, Aufgescheuchtheit und Apathie. Das Dackelfräulein läuft teils sehr schlecht, ich tue es ihr gleich. Die offiziellen Termine strengen an, die SONY-Alpha spinnt. Zwischen den Zehen einer Pippapfote klebt eines Abends ein Kaugummi, darin stecken 10 Tannennadeln und 5 Steinsplitter, die Operation kostet uns den letzten Nerv. Auf den kleinen Routen, die ich raussuche, sind entweder die entscheidenden Passagen aufgrund von Felssturz oder Forstarbeiten gesperrt oder die auf eine Länge von einem Kilometer verteilte „Steigung“ von 72 Höhenmetern ist zu viel des Guten für das Fräulein. Zum Anstoßen auf das Du mit dem Hotelier wird mir ein Zirbengebräu kredenzt, das mich so in der Kehle kratzt, dass das Kommunizieren gleich noch schwerer fällt. Und wenn ich mal nicht von labernden Menschen umgeben bin, dann ist es plötzlich die innere Stimme, die einfach nicht aufhört mit ihrem nutzlosen hypothetischen oder hysterischen Geplapper. Ansonsten bleierne Müdigkeit, beunruhigende Träume und unkreative Stunden am Laptop.

Des Fräuleins liebste Reisegefährtin: die Gitti.
Hundemüde.
Hundemüde, mit Gitti.
Morgengymnastik.
Kuscheln, mit Gitti.
Nachmittagsnickerchen.
Nickerchen, mit Gitti.
Gitti, täglich nett drapiert vom Zimmermädchen.

An Tag 5 dann der Umbruch. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt durchströmt mich auf einmal sowas wie Leichtigkeit und Zuversicht. Ich lasse alle Pläne los, von denen ich mir einbildete, sie für die Pressereise oder für die Reha des Dackelchens durchziehen zu müssen, darüber hinaus verlässt mich plötzlich so manche Sorge und Schwere.

Ich laufe morgens alleine zur Bergstation des Graukogels und nachmittags alleine zur Poserhöhe. Esse Kaiserschmarrn und Marillenpalatschinken. Gucke stundenlang geradeaus oder berg-/talwärts. Lasse mir die milde Abendsonne ins Gesicht und auf die kasigen Haxn scheinen. Liege vormittags im Garten der kleinen Kurvilla und lese. Verlange mir nichts mehr ab, von dem ich nicht nach spätestens dreiminütigem Antesten das Gefühl habe: das isses jetzt, das kann-will-darf ich nun tun. Klinke mich ein in den Kurgastmodus, genieße das süße Nichtstun und die leckere Halbpension. Zwischendurch vergesse ich, dass ich ja auch zum Arbeiten hier bin und der Sponsor dieser kleinen Sommerfrische sich bestimmt über ein Ergebnis freuen würde. Sei’s drum. Kommt Zeit, kommt Rat (und hoffentlich auch Text oder Tat).

Auf einmal geht es auch dem Dackelfräulein ein bisschen besser, Momente der Munterkeit wechseln sich mit gemütlichen Genussschläfchen ab (unterbrochen nur von fuchsteufelswilden Fliegenfangorgien). Ruhe und Friede rieseln allmählich auf unsere flattrigen Seelchen hernieder, ja endlich. Die Mitmenschen und ihr Mitteilungsdrang sind, kaum hat man ein etwas robusteres Nervenkostüm angelegt, auch wieder ein klein wenig leichter zu ertragen.

Der freundliche Rentner, der hier sein Rheuma kuriert und mir seit Kurzem als abendliche Gesellschaft an den Tisch gesetzt wurde (aus Platzgründen, nicht zu sozialen Trainingszwecken), erweist sich als idealer Hundesitter. Er spaziert in aller Seelenruhe mit dem Fräulein über schattige Waldwege, döst mit ihr am Pool und serviert ihr pünktlich die Zweitmahlzeit. Und ich habe erstmals seit vielen Wochen einen ganzen Tag zur freien Verfügung.

Ich verfüge, dass dieser Tag dem Gamskarkogel gehören soll. 1.400m hinauf und wieder hinunter, 13km Strecke und endlich mal keine Rundtour. Völlige Bergstille, da keine Bahn und kein mountainbiketauglicher Pfad vorhanden sind. Touren, wie man sie nur wenige Male im Jahr macht bzw. machen kann.

Die Hütte auf fast 2.500m bietet zum Gugelhupf ein Panorama, das allererste Sahne ist. Am Nachmittag holt mich der Tischherr schweiß- und sonnencremeverkrustet (ich, nicht der Tischherr) in Hofgastein wieder ab, das Fräulein hat er – fachmännisch auf die Rückbank seines Autos gebettet – zu meiner großen Freude mitgenommen.

Abends rufe ich glücklich den Gatten an und beantrage eine zweitägige Verlängerung meiner Pressereise Kur, die Genehmigung folgt stante pede, sofern sich dieser Ausdruck für einen Achillessehnenrekonvaleszenten geziemt.

Wunderbares Badgastein. Einer meiner Lieblingsorte, das wusste ich bereits beim Erstbesuch, am Ende des ersten Tages. Immer ein laues Lüftchen, selbst an Sommertagen wird es hier oben – die Kurvilla liegt in aussichtsreicher Hanglage über dem Ort – nicht stickig. Die umliegenden Berge sperren einen nicht ein, sondern ziehen einen sanft zu sich, erheben einen über manch mentalen Morast, federn mit ihren grünen Flanken geduldig den schleppenden Schritt der Städter ab, die sich auf ihnen Herz und Hirn freilaufen.

Was bin froh um diese Weite und all die Wege, die noch gegangen werden wollen.

6 Kommentare zu “Kurlaub oder: Impressionen von einer Pressereise.

  1. Schließe mich Herrn stancerbn an und bitte zusätzlich um ein Foto des Marillenpalatschinken (Sie haben ganz sicher eins gemacht, wie ich Sie kenne!).
    Wird es wieder die D&T?
    Herzliche Grüße Richtung Badgastein (und legen Sie auf der Rückreise bitte eine Gedenkminute ein…)!

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  2. Die Mitmenschen und ihr Mitteilungsdrang – ich verstehe gut, was Sie meinen. Es würde mich sehr freuen, Ihren Text nach vollbrachter Tat lesen zu dürfen.
    Herzliche Grüße aus dem immer noch warmen Burgund
    Ihr C.

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  3. Wie freut mich das für Sie und das Fräulein (toll, so ein Senior!).
    Grammeln kennen Sie wahrscheinlich – ausgelassene Speckstückchen, braun – und Verhacktes ist Hackfleisch. Die Mischung wird gerne in Semmelknödel oder Kartoffelknödel verpackt. Mit Sauerkraut.

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  4. frau frogg

    Es freut mich sehr zu lesen, dass der Kurort so eine heilsame Wirkung auf Dich hatte! Wirklich schön, dieser Stimmungswandel! Mögen diese Bilder lange bleiben!

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  5. Dieser Dackelblick beim Eisbetteln, wirklich unwiderstehlich …

    LG Bernhard

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  6. Pingback: Ohne Geschehniszwang. – Kraulquappe

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