
*****
Wir sollten uns ehrlich machen, so las ich neulich in einem Interview, das ich, mit den Fingern den Floskelpuls fühlend, der sich bedenklich der Flattergrenze näherte, dann genau deshalb nicht zuende lesen konnte.
Sich auf den Weg oder die Socken machen, sich in die Hose oder ins Hemd machen, sich einen Tee oder die Haare machen – aber: sich ehrlich machen?
Wer hat das nur wieder in den Topf des Zeitgeist-Sprechs geschmissen (in dem alles lagert, was mehr erbrochen als gesprochen klingt), und, noch schlimmer, wer hat dieses Unwort dort herausgefischt und es in Umlauf gebracht?
Ich werde diese grauslige Redewendung nun exakt einmal benutzen und das auch nur, weil sie gut zu dem zweiten Projekt passt, das ich mir für 2023 verordnet habe.
[An das andere Vorhaben erinnern Sie sich bestimmt nicht mehr, weil der letzte Blogbeitrag schon so lang zurückliegt: Projekt Nr. 1 steht unter dem Motto „Möglichst viel von dem machen, was ich schon lange machen möchte, aber bislang nicht gemacht habe“ und gedeiht einigermaßen, wenngleich eher planerisch als umsetzerisch, aber immerhin das und außerdem ist ja noch ein bisschen Jahr übrig.]
Mein Zweitprojekt läuft unter dem Arbeitstitel „Ein Jahr Ehrlichkeit“ und birgt, wie ich feststellen muss, ein gewisses Grausligkeitspotenzial, weil konsequente Ehrlichkeit so ihre Härten hat: ihr Auftritt als Antipode hehrer Höflichkeiten und freundlich gemeinter Heucheleien (und anderer Geschmeidigkeiten des gesellschaftlichen Umgangs, die man sich so zugelegt hat im Laufe der Jahrzehnte, um nicht zu sehr anzuecken bei den lieben Mitmenschen) macht sie zu allem anderen als einem probaten Schmiermittel fürs Sozialgetriebe, stattdessen fördert sie ein beachtliches Ausmaß an Konfliktunfähigkeit, Diskussionsverweigerung und Aufrichtigkeitsaversion zutage.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: das Projekt „Ein Jahr Ehrlichkeit“ impliziert nicht etwa, dass ich jetzt permanent und anlasslos all meine subjektiven Wahrheiten in die Welt puste oder poste und das in plumper oder gar grober Weise. Keineswegs!
Selbstverständlich versuche ich weiterhin, höflich zu bleiben, annehmbare Formulierungen zu finden und nicht ungefragt oder ungebeten andere mit meinen ach so aufrichtig zum Ausdruck bringbaren Empfindungen und Einschätzungen zu behelligen, zu beschämen oder zu bestürzen.
Hintergrund meines Vorhabens ist vielmehr jener, dass ich der Authentizität auch bzw. besonders im Alltag mehr Raum geben möchte.
Ich bin es zunehmend leid, mich auch nur ansatzweise zu verstellen oder zu verbiegen, zumindest überall dort, wo ich es mit Menschen zu tun habe, von denen ich nichts zu befürchten habe, von denen ich weder privat noch beruflich abhängig bin und mit denen ich entweder nicht näher zu tun habe oder aber das genaue Gegenteil: in einer wie auch immer gearteten Nähe recht verbunden bin (oder es noch vor Projektbeginn zu sein glaubte).
Ein Beispiel: Sie sind zum Essen eingeladen, eine Freundin oder ein Freund kocht für Sie. Ein neues, aufwändiges Rezept wird ausprobiert, sagen wir: es gibt ein ayurvedisches Curry, für das zahlreiche, nicht im Supermarkt um die Ecke zu erwerbende Zutaten und Spezialgewürze beschafft wurden, Ihr Gastgeber stand stundenlang in der Küche, sieht bei Ihrem Eintreffen auch so aus, schöpft sodann erschöpft eine Kelle des liebe- und mühevoll zubereiteten Gerichts auf Ihren Teller und wartet daraufhin höchst gespannt auf Ihr Urteil.
Während Sie gerade den dritten Löffel dieses höllenscharfen, suppigen Etwas‘ in Ihren Mund befördern und sich fragen, ob das Geglibber, das Ihnen chilisaucenummantelt schier den Gaumen wegzuätzen droht, womöglich ein Stück Morchel ist (und Sie hassen Morcheln, so wie Sie überhaupt alles hassen, was glibbert und irgendwie Richtung Pilzpampe geht), werden Sie, wahrscheinlich, weil man Ihnen die intensive Beschäftigung mit dem Geschmackserlebnis förmlich ansieht, mit einem erwartungsfrohen Leuchten im Blick gefragt: „Und, schmeckt’s dir?“
Vor dem 1. Januar 2023 hätte ich in einem solche Fall wohl geantwortet: „Ja, ist lecker!“ – allenfalls hätte ich vielleicht gewagt, ein „an der Grenze zu ‚zu scharf‚…“ hinzuzufügen und dazu trotz Flächenbrand in meiner Mundhöhle halbwegs nett zu lächeln versucht, um den Koch oder die Köchin nur ja nicht zu verletzen.
Gemäß der mit mir selbst vereinbarten Projektregeln ist eine solche Antwort in 2023 nicht mehr zulässig, das heißt, ich entgegne nun in aller Aufrichtigkeit, dass mir das Essen zu scharf und insgesamt nicht so mein Fall ist.
Das müssen die Beteiligten (also auch ich) dann aushalten, was teilweise nicht leicht ist; speziell im geschilderten Beispiel hat der gemeinsame Abend ja gerade erst begonnen (und es droht womöglich noch ein rosinenverseuchtes Dessert oder ein in der Kehle brennender Verdauungsschnaps).
Mit dem heutigen Tag endet also das erste Quartal im „Jahr der Ehrlichkeit“ und es steht zu befürchten vermuten, dass dieses Projekt noch weitere Sichtschneisen in mein Lebensgestrüpp schlagen wird, weil sich ehrlich machen zwar oft befreiend, aber ebenso oft anstrengend ist.
Bislang überwiegen die befreienden und bereichernden Anteile, doch wer weiß, wieviel Durchblick oder Kahlschlag auf lange Strecke erträglich sind, so ein bisserl Unkraut hie und da hat ja wahrscheinlich durchaus seinen Nutzen.
Nun, ich werde versuchen, Sie über den weiteren Projektverlauf auf dem Laufenden zu halten, sofern es mir gelingt, diesen Blog überhaupt mal wieder regelmäßig zu füttern, was ich mir von Woche zu Woche erneut vornehme.
Doch es gibt momentan Wahrheiten, mit denen ich befasst war (oder es noch bin) – treffender wär’s vielleicht, sie Realitäten zu nennen- , die mich dermaßen fordern (teils auch überfordern), dass mir bislang kein anständiger Satz dazu über die Lippen kommen wollte und möglicherweise bleibt’s auch dabei.
*****




*****
Für so vieles fehlte es mir an Zeit und Ruhe, und obwohl es gut getan hätte, sich aus mancher Enge herauszuschreiben, war genau das diesmal ganz und gar unmöglich.
Das Korsett aus Kalamitäten – der Papa in der Klinik, der Gatte beim x-ten MRT, dazu die eigenen Tendinosen plus irgendwas mit -itis (nebenbei, neue Erkenntnis: -ose ist grundsätzlich blöder als -itis, weil nicht mehr akut, sondern längst chronisch), der alleine nicht mehr zu bewältigende, sechzehnseitige Fragebogen vom Finanzamt, das frustrierende Antwortschreiben vom Mieterbund zum Indexmietvertrag, die Zweitmeinung zu den drei Backenzähnen vom Fräulein, die in den Wind geschlagene Erstmeinung zu meinem einen Backenzahn, um nur ein paar der Bredouillen zu nennen, die da brutzel(te)n – zwängt und schnürt einen von Woche zu Woche mehr ein, man schnappt nach Luft, atmet in immer kürzeren Abständen, hechelt und keucht, bis es an irgendeiner Stelle aufplatzt, das Korsett, so wie am Freitag vor einer Woche geschehen: alles zu viel, zu eng, zu konzentriert, am unerträglichsten jedoch der Stillstand und dass sich nicht einfach mal einer der Brocken komplett auflösen will, sondern sie weiterhin alle stur vor sich hinbrocken.
Tags drauf auf den Herzogstand gelaufen, 900 Höhenmeter, bei einer Witterung, in der ich normalerweise nie auf den Berg zu gehen pflege, aber es musste Weite her, und dort oben ist die Welt weit und der Blick klar und frei, selbst bei wolkenverhangenem Winterhimmel und mit Eiskristallen an den Wimpern.
Das Dackelfräulein schneeflockengesprenkelt an meiner Seite oder vor mir den Pfad hinaufschnürend, keine Menschen- und Hundeseele treffen wir auf dem Weg, bis auf den Mann mit der Knie-Teilprothese, der erstmals mitsamt des implantierten Metalls einen Berg besteigt und oben angekommen außer sich ist vor Freude, weil es besser ging als gedacht, sich zu uns an den Hüttentisch setzt, wo ich alles wissen will über seine Knieerkrankung, weil es zufällig dieselbe ist, die dem Gatten neu diagnostiziert wurde, und der uns schließlich die Gondelfahrt ins Tal spendiert, als Dankeschön für das auf die Schnelle von mir zusammengebastelte Urlaubsprogramm für sein restliches Wochenende im Oberland (und weil man an der Seilbahnkasse nur in bar zahlen, ich aber nicht mehr genug Geld in meinem Hüftgurtfach finden kann).
In der Gondel großes Zamperlzittern, der Boden, auf dem sie sitzt ist eiskalt, also hochgehoben, mit meinem Schal umwickelt und die Kleine so bis ins Auto getragen.
Beim Abwickeln des Schals an den alten Hund von neulich denken müssen –
was wohl aus dem geworden sein mag?
*****
Vor etlichen Wochen kam mir auf einem winterlichen Waldspaziergang ein Paar entgegen, das einen notdürftig an einem Schal befestigten Hund mit sich führte, besser gesagt: vorsichtig und unter viel gutem Zureden mit sich zog.
Es war ein grauschnäuziger, hinkender Rüde, er zitterte an den Hinterläufen und wirkte sehr ausgezehrt und massiv verstört.
Meinen erstaunten Blick auffangend erklärten sie mir, dass sie den Hund mitten im Wald an einen Baum gebunden vorgefunden hätten, und das nur, weil sie einem Geräusch nachgegangen waren, das ihnen seltsam vorkam und das sich dann als das klägliche Winseln ebenjenes Hundes herausgestellt hatte.
Das Tier war völlig unterkühlt, die Frau hatte ihren Schal zur Leine umfunktioniert, der Mann hatte seinen Pullover geopfert, um den schlotternden Hundekörper etwas zu wärmen. Sie fragten mich nach einem tierärztlichen Notdienst, der auch am Wochenende erreichbar sei und welchen ich da empfehlen würde. Ich gab ihnen die Nummer der in Frage kommenden Kliniken sowie meinen gesamten Leckerlibestand, den ich dabei hatte, bot noch eine Decke an, die im Auto lag und überhaupt meine weitere Hilfe. Sie lehnten ab, ihre Tochter sei schon unterwegs, würde sie am Waldparkplatz abholen und den armen Hunde-Opi sofort zu einem Tierarzt fahren.
Wer macht sowas? Wie geht das, wie mag es um ein fühlendes Herz bestellt sein, damit es so etwas zustande bringt? Wie lebt man damit weiter?
Ich weiß nicht, ob ich es schon mal erwähnt habe, dass ich mir wünsche, dass all den Menschen, die einem Tier etwas antun und derer man habhaft wird, exakt dasselbe angetan wird.
In dem Fall hieße das: diesen grausamen Menschen im eisigsten Winter im Wald an einen Baum binden und ihn dort mit der Hoffnung alleine lassen, dass vielleicht noch irgendwer rechtzeitig sein Jammern hören würde, bevor er qualvoll verhungert oder erfriert.
Der Spaziergang war gelaufen (der restliche Tag ebenfalls).
Beim Heimfahren fiel mir eine Zeitungsmeldung wieder ein, die ich vor ein paar Monaten gelesen hatte: am Münchner Flughafen wurde bei der Sicherheitskontrolle ein ausgewachsener Alligator gefunden, eingepfercht in einen viel zu kleinen Koffer und rundum in Folie eingewickelt. Dem Erstickungstod ist er nur entronnen, weil der Schmuggler die Nasenlöcher des Reptils freundlicherweise freigelassen hatte.
Wer kam nur je auf die Idee, den Menschen als die Krone der Schöpfung zu bezeichnen, fragt man sich da.
*****
Zu dieser Krönung kam es, sagt Wikipedia, weil die am kompliziertesten (!) erscheinenden Lebewesen in Gottes Schöpfung zu der am höchsten stehenden Lebensform erkoren wurde.
Und so entfalten sie sich munter in all ihrer Kompliziertheit und in all ihren Lebensformen, und geht man offenen Auges durch die Stadt, so begegnet man:
- morgens der Frau in der grellgrünen Schlabberhose, die einem mit einer mehr als handtellergroßen Lupe in der Hand entgegenkommt, die sie sich so nah vors Gesicht hält, dass man (noch nicht ganz wach um diese Zeit) erschrickt, weil sie aussieht wie ein Zyklop, und die einen aus ein paar Meter Entfernung anzischt, man solle ihr bloß nicht zu nahe kommen, sonst könne sie nicht klar sehen
- mittags dem drahtigen Asiaten in der Schwimmbadumkleide, der vor der großen Spiegelfront steht und – ununterbrochen sein Spiegelbild fixierend – erst seine Zehenzwischenräume föhnt (das eine Bein hoch und föhn-föhn, dann das andere und nochmal föhn-föhn – ohne hinzusehen und ohne umzufallen), dann seine Sportuhr (von allen Seiten), anschließend seine Achselhöhlen und schlussendlich auch seine Haare
- nachmittags der sehr jungen, sehr stark geschminkten Frau, die einen Doppelpack der nächsten Krone-der-Schöpfungs-Generation im Doppelbuggy vor sich herschiebt und damit so ungeschickt über die Bordsteinkante rumpelt, dass zwei Dutzend Quetschies und ein Windelgroßpack aus dem Korb purzeln, was sie erst zeitversetzt bemerkt, weil sie währenddessen „Wenn ich mein Scheißleben nochmal machen könnte, würde ich auf Kosmetiker machen und nicht auf Hausfrau!“ in ihre AirPods plärrt
- und abends bei der letzten Hunderunde dem Kapuzenkerl, der im Rappergang durch die Autoreihen tänzelt und nach nicht durchschaubaren Kriterien quadratische Zettel auf etliche Windschutzscheiben klebt, auf denen in peinlichster Pennälerschrift „Scheiße geparkt!“ steht
Es gibt Momente, da bin ich der Menschheit aus tiefstem Herzen überdrüssig und heilfroh, wenn ich eine Tür hinter mir zumachen kann.
*****
Apropos Tür zumachen (bzw. gar nicht erst aufmachen).
Freundschaften mit Menschen, die mich frühmorgens spontanbesuchen und die nicht verstehen können, dass ich, weil noch im Bett liegend (und dies noch dazu krank), nicht die Tür geöffnet habe und dann, nachdem sie mich Stunden später wissen ließen, dass sie es waren, die zur Unzeit Morgenstund hier schellten, auch noch einen Groll gegen mich entwickeln, weil ich a) daraufhin ehrlich (!) kundtue, dass ich selbst in gesunder Verfassung kein Fan von unangekündigten (v.a. frühmorgendlichen) Besuchen bin und b) sie nicht baldmöglichst analog zurückgerufen habe (mit dem „Argument“, dass sie ja schließlich auch analog bei mir aufgekreuzt seien – hä?), können nicht funktionieren.
Dasselbe gilt für Freundschaften, in denen die Beschwerde an mich herangetragen wird, als meine Freundin hätte man ja in zweiter Reihe zu sitzen, weil in Reihe 1 schon das Fräulein säße und ich zu allem Übel auch noch hätte verlautbaren lassen, dass es nach des Fräuleins Ableben (nicht auszudenken, das!) irgendwann wieder einen Hund in meinem Leben geben würde, weshalb ich langfristig somit noch unflexibler wäre als die Freundinnen, die wegen des Kinderkriegens und -aufziehens für zehn oder mehr Jahre weg vom Freundschaftsfenster waren, dann aber immerhin wieder aufgetaucht sind…
Ja, geht’s noch?
Ich kam aus dem Staunen erstmal gar nicht mehr heraus und schrieb – was ewig nicht mehr vorkam – mit einigem Abstand zu dieser Anmaßung einen Abschiedsbrief.
„Danke für deine Ehrlichkeit“, wollte ich ihn erst beginnen, aber das stimmte so nicht, weil ich zuvor wochenlang hatte nachfragen müssen, was denn eigentlich mit ihr los sei, bis mir überhaupt mal der Schimmer einer Antwort angedeutet wurde und selbst dann musste ich noch weiter insistieren, bis ich Genaueres erfuhr.
Also begann ich den Brief anders und bedankte mich erst am Schluss, und dann auch nicht für die (sehr späte) Ehrlichkeit, die ich ihr hatte abringen müssen, sondern für den kurzen guten Part unserer gemeinsam verbrachten Zeit.
Saß dabei vom milden Vorfrühlingssonnenlicht gewärmt in einem Café am See, in Reihe 1 zu meinen Füßen das friedlich dösende und von derlei Freundschaftsfrevel nichts ahnende Hündchen.
Mit noch mehr Abstand schickte ich den Brief schließlich auch ab, die Reaktion darauf so schwach und lasch, dass keine meiner Zeilen mich reute.
B. fragte mich auf einer Bergtour, ob ich denn nicht eventuell zu Beginn dieser FreundBekanntschaft irgendwelche Anzeichen wahrgenommen hätte, die – hätte ich sie ernst genug genommen – darauf hätten hindeuten können, dass da irgendwas fundamental haken und es mal zu einem solch jähen Ende kommen würde. „Nicht dass ich wüsste!“ , antwortete ich ihm.
Und auf einmal, beim Abstieg auf der Schattenseite des Sonnenspitz‘, wo wir serpentinenlang durch den Schlamm rutschten, so dass uns, unten angekommen, der angetaute Schneematsch rundum aus den Stiefeln quoll, wusste ich es dann doch.
Sprach es aus und versenkte es im Kochelsee, zusammen mit dem Schmutz, den ich mir von den Schuhen schrubbte.
*****
„Du bist halt eine Verschwindefrau“ , sagte G. neulich zu mir, nachdem mal wieder eine kleine Funkstille zwischen uns eingetreten war.
Wie recht sie doch hat. Und wie leicht sie das erkennen konnte, sie, die rastlose Vagabundin.
Nachts heulen wir manchmal den Mond an, beide in solchen Augenblicken entsetzlich einsam.
Über Einsamkeit wird ja mindestens so ungern gesprochen wie übers Älterwerden oder die Endlichkeit. Ich verspüre einen Drang, mich in in solche Dinge zu vergraben, ein sichtbares Sprachkostüm draus zu stricken oder wenigstens ein paar Wortfetzen draus zu weben.
Eine zufriedenstellende Form möchte ich finden für diese lange Liste an Themen, die immer länger wird, je hartnäckiger sich jener Knoten hält, der mir das Ausdrückenwollen abklemmt, seit Wochen, seit Monaten, vielleicht gar seit Jahren.
*****



*****
Ich stehe in einer Nische des Münchner Frauendoms und schaue abwechselnd auf die Sdraiati (dt.: die Liegenden) und die dazugehörige Videoinstallation, die die Künstlerin beim Anfertigen ihrer Keramikwinzlinge zeigt.
Ritual und Routine: jeden Tag aus einem Klumpen einen Körper formen, einen ganzen Lockdown lang.
Eine Idee nimmt Gestalt an, es entsteht etwas, es drückt sich etwas darin aus.
Ritual und Routine, so funktioniert es vielleicht.
(Herrndorfs „Arbeit und Struktur“ kommt mir in den Sinn, der hat das schreibend hinbekommen, im Angesicht des bevorstehenden Endes, das ihn trotz – oder wegen? – des Glioblastoms zur Höchstform auflaufen ließ.)
*****
Mit „The Wild Bunny“ aus meiner Serie „Songs, die sich gewaschen haben“ entlasse ich Sie nun in die Osterzeit, hüpfe einstweilen zurück in mein Nest, bebrüte weitere Texte und hoffe inständig auf die Auferstehung des Frühlings.
Liebe Kraulquappe!
Ich habe Sie ehrlich vermisst. Grüße aus Italien.
LikeGefällt 2 Personen
Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd.
Respekt, du Aufrechte.
Bin dito lieber allein als von Heuchlern umgeben.
Und Grüße!
LikeGefällt 3 Personen
Liebe N., Ihre Ehrlichkeitsoffensive halte ich für ein gutes und nachahmenswertes Vorhaben. Ich freue mich darauf, über den weiteren Verlauf zu hören und lesen.
Herzliche Grüße, Ihr C.
LikeGefällt 2 Personen
Liebe Natascha,
danke für Deine Meldung und den geteilten Besuch in der Waschstraße.
Alles Gute für die besagten Baustellen.
Gute Osterzeit und zum Frühling
wünscht herzlich Bernd
LikeGefällt 1 Person
Was für ein toller Post, so gut geschrieben, so viel besser, als ich oft gedruckt und gepriesen in den Händen halte. Ich habe das sehr gerne gelesen, mit dem Fräulein mitgezittert und mich gefreut, dass es wärmende Schals und freundliche Hände gibt, freundliche Stimmen, ruhige Besonnenheiten, die den Planeten, die Dinge, Menschen und Tiere schätzen und nicht einfach an einen Baum zum Erfrieren anbinden. Bei mir, in Sachen Ehrlichkeit, heißt es aber schon seit langem, das nur die wenigsten sie verdienen. Der Rest wird freundlich abgenickt. Vielen Dank für die Bilder und die fröhlichen Sätze, die voller Lebensmut und -freude prangen. Wortlust „grauschnäuziger“, „Zamperlzittern“ oder „schneeflockengesprenkelt“ … Schön!! Viele Grüße!
LikeGefällt 1 Person