Hurra!
Nach 201 Tagen Sperrzeit hat man die Kraulquappe heute wieder in ihren angestammten Lieblingsteich hüpfen lassen!

Schon die Ticketreservierung beinahe ein Gefühl wie früher beim Vorverkaufstartschuss für die großen Stadionkonzerte: wann wird das Online-Buchungssystem freigeschaltet? / minutenlange Überlastung des Servers, verflixt! / erwisch‘ ich in diesem Leben noch eine Eintrittskarte? / wo bleibt die verdammte Reservierungsbestätigung? / ja Wahnsinn, die Mail ist da – ich hab‘ mein Ticket!

Auf der Seite der Münchner Bäderbetriebe herrscht seit Dienstagabend Hochbetrieb. Selbst so ein kleiner Nebenschauplatz auf dem großen Seuchenschlachtfeld wird da zum Spiegel der mehr oder minder gespaltenen Gesellschaft: Ein Teil der Wasserfanatiker meckert („Schnelltest? Spinnen die?“ / Noch mehr Datensammeln? Ohne mich!“ / „FFP2-Maske bis zum Beckenrand? F***!“ / „Coronadiktatur, nun auch im Freibad – Ihr könnt mich mal!“), der andere freut sich einfach nur („Ich kann es kaum erwarten!“ / „Ich werde den Bademeister küssen!“ / „@alle Nörgler hier: Gute Idee, wenn ihr wegbleibt, dann haben wir mehr Platz im Wasser!“) oder bucht in Demut und Dankbarkeit stillschweigend seine Eintrittskarte.

Ja, es ist ein Aufwand.
Schnelltest machen, ausdrucken. Ticket reservieren, QR-Code aufs Handy laden. Personalausweis einpacken. In genau der Reihenfolge alles am Eingang vorzeigen. Abstand halten. Laufrichtung beachten. Nur 5 Personen zeitgleich in den Duschräumen, nur 15 in der Umkleide. Nicht aus Versehen mit Maske duschen oder ins Schwimmbecken gehen.

Morgens viel zu früh aufgewacht und nicht mehr einschlafen können: wie ein Kind, dem beim ersten Reiben der verschlafenen Augen sofort einfällt, dass ja heute Geburtstag oder Weihnachten ist und das dann nichts mehr im Bett halten kann. Wer hätte das gedacht, dass sich die Maßstäbe für Vorfreude mal derart neu kalibrieren würden?
Wenn man nach fast 7 Monaten Schwimmbadschließung am Tag der Wiedereröffnung schon so aus dem Häuschen ist, dann möchte ich nicht wissen, wie man wohl beim ersten Live-Konzert nach Corona beieinander ist…
Das muss man jetzt erstmal langsam wieder üben, das Rausgehen und diese Variante von Leben – die monatelange Klausur hat definitv Spuren hinterlassen.

Schon gestern so ein aufregender Tag: erster Besuch von „auswärts„! Aus der Hauptstadt! Für 5 Stunden!
Nach empfundenermaßen ewigen Zeiten der disziplinierten Distanz zum Großteil der Freunde (vor allem zu den weiter entfernt lebenden), sind K. und ich den Freudentränen nahe, als wir – nach Zusenden der jeweils negativen Schnelltest-Ergebnisse (ergänzend zur beiderseits erfolgten Erstimpfung), sorgsam maskierter Begrüßung am Münchner Hauptbahnhof (huch, ist da schon wieder viel Betrieb!) und einer kurzen U-Bahn-Fahrt – oben auf der luftigen Theresienwiese angekommen endlich unsere Virenvisiere abnehmen und einander in die Arme fallen.
Dass später auf dem gemeinsamen Spaziergang überraschenderweise auch noch der elende Regen pausiert (!) und wir in einem Seecafé (!) draußen an einem Tisch sitzen (!) und Kaffee & Kuchen serviert (!) bekommen, ist eigentlich schon zu viel des Guten für die freudig flatternden Nerven.
Sollte man tatsächlich bald Thermoskanne & Togoland leise Servus zuflüstern können?

Apropos Tränen.
Leicht feuchte Augen, als mich der vertraute Bademeister heute Morgen am Einlass begrüßt. Feuchte Augen, als ich einen freien Spind in der Umkleide bekomme und ein paar Meter neben mir die alte, runzlige Omi wiedersehe, die ich schon hundertfach hier traf.
Sehr feuchte Augen, als ich über die Wiese laufe und das 50-Meter-Becken, das Olympia-Logo überm Vereinsgebäude und die steineren Stadiontreppen erblicke.
Um 9:42 Uhr stehe ich am Beckenrand, schaue ins Wasser, streife die Maske ab, ziehe die Flossen an, setze die Brille auf, zupfe den Badeanzug zurecht – und ab dann ist sowieso überall nur noch Wasser.

Für jeden Shutdown-Tag schwimme ich 10 Meter.
Trotz der technischen Einrostung, trotz der zahlreichen Zipperlein, die die 201 schwimmbadlosen Tage nach sich zogen und die heute natürlich mit mir durch die Bahnen ziehen, sind es die glücklichsten 2,01 Kilometer, die ich je geschwommen bin.

Jeder Zug wie eine Wiederbelebung: Wasserbeiseiteschieben ist die Bewegung meines Lebens, hier kenn ich mich aus, hier bin ich zuhause, bei mir, ganz in meinem Element.
Alles ist auf einmal leicht, kein Vergleich zu dem Neoprenausflug neulich.
Die Auferstehung hat begonnen (dabei ist doch jetzt Pfingsten).

Lockdown-Ausstellung, kurz vor dem 2. Lockdown.

Morgen Früh wird aller Voraussicht nach alles schwer sein.
Ich werde meine Kaffeetasse kaum noch zum Mund führen können vor lauter Muskelkater in den Armen.
Werde mich dann mit einer großen Portion mentaler Leichtigkeit ablenken: der Papa hat die Klinik soeben verlassen.
Mit neuen Parkinsonmedikamenten und einem gesunden Herzen.

11 Kommentare zu “Oplatscht is!

  1. Oplatscht is!
    Was für eine geniale Überschrift.
    Willkommen uns allen zurück im Chlordunst.

    Gefällt 3 Personen

    • Danke, Lutz!
      Frei nach Springsteen wäre es beinahe „Chlory Days“ geworden, aber ich entschied mich dann doch für die heimatverbundene Version.
      Dir auch weiterhin fröhliches Pflügen und Kachelzählen!

      Gefällt 3 Personen

      • Ich sinnierte heute über eine Zeile aus der Arie „What power Art thou“ aus der Barockoper King Arthur von Henry Purcell. Heutzutage besser bekannt als „Cold song“ durch Versionen von Klaus Nomi bis Sting (letztere ist furchtbar):

        Let me, let me
        Let me, let me
        Freeze again…
        Let me, let me
        Freeze again to death!

        Gefällt 2 Personen

  2. Gut gesagt. Bei aller Freude aufs Wasser muss man vorsichtig sein. Auch hier gibt es Licht am Horizont, weil die Bäder nach Pfingsten wieder öffnen dürfen. Ich habe Arme und Schultern mit Bewegungen versucht fit zu halten und hoffe, dass ich beim Wiedereinstieg ins Schwimmen keine böse Überraschung erlebe.

    Gefällt 1 Person

  3. I FEEL YOU – und möchte auch o‘platschn – und zwar subito 😀 wenn Du nach Hamburg kommst, schleppe ich Dich mit in mein Bad (was noch geschlossen hat, da die Wassertemperatur bei 10 Gras liegt 🙄)

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    • Hier war’s auch etwas frischer, morgen soll die Beckentemperatur aber wieder das übliche Niveau erreicht haben. Wenn’s nicht so weit wäre, würde ich ja fragen, ob ich für dich ein Ticket mitbuchen soll…
      Drücke die Daumen, dass auch der Norden bald baden geht!

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  4. Mir persönlich fällt der Unterschied zwischen vorher, zwischendrin und nachher nicht auf, aber für Dich freu ich mich RIESIG! Oplatschte Grüße!

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  5. Bei mir gibt es nur kaltes Duschen – und weit und breit kein Meer.

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  6. Pingback: Himmel der Bayern (95): Oh mei oh Mai. – Kraulquappe

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