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(#8): Sternenstaub und Klatschmohnrot.

Um Zwölfuhrmittags mitten im Gespräch mit der Freundin, danach schreibverhindert, weil das Gesprochene sich wie eine zarte Seidentapete an die inneren Wände schmiegt und dort erstmal trocknen muss. Vermutlich das letzte Telefonat für längere Zeit, die Freundin verreist. Mein kleines soziales Netz wird für ein paar Wochen ein großes Loch bekommen, es wird schon gutgehen.

Das mit dem Gutgehen ist eh so eine Sache. Es blüht plötzlich auf, das Gutgehen, so plötzlich, dass man’s kaum wahrhaben will oder fassen kann, aber es ist real und von enormer Strahlkraft, sagen wir: in Klatschmohnrot gekleidet pflanzt es sich vor einem auf in all seiner Schönheit.

Steht sein Halm jedoch nicht tief genug in ausreichend frischem Wasser, knickt er auch absurd schnell wieder ab. Es ist an mir, mich jetzt in der Kunst des Gärtnerns zu üben und das Pflänzchen zu hegen und zu pflegen, damit es überlebt gedeiht. Notfalls sollte ich vielleicht sogar den Bau eines Gewächshauses erwägen, um behelfsweise ein Schutzkonstrukt zu haben, das mir etwas Zeit schenkt, mich von einer bewährten Bestellerin der badlands zum Blumenmädchen zu mausern.

In 52 Stunden werden der Freund und ich in Düsseldorf mit den seit Jahrzehnten in Fleisch und Blut übergegangen Ritualen eben jene badlands beschwören, Bruce Springsteen wird den Chor dirigieren und den Takt vorgeben: for the ones who had a notion, a notion deep inside, that it ain’t no sin to be glad you’re alive, diese Verse, die wir schon sangen, als wir grad mal über die Schwelle zur Volljährigkeit gestolpert waren und noch nicht den Hauch einer Ahnung hatten, was wir da eigentlich in die Nacht hinausriefen, no sin hat seinerzeit irgendwie gereicht, dazu noch ein bisserl deep inside und der adoleszente Adrenalinkick folgte stante pede, oder vielmehr: mit beiden Füßen auf dem Stadionboden springend, wie ein übermütiger Flummi mit Glitzerfitzelchen drin.

So war das damals, als die Sommer noch genauso endlos waren wie die Vorstellungen von Zukunft, dieses Ufo, das da bis zu seiner Landung irgendwo durch einen Himmel schwebte, aus dem man glaubte, sich einen Stern nach dem anderen pflücken zu können.

Und heute? Dann und wann rieselt mir ein wenig Sternenstaub aufs grau gewordene Haar, wenn ich aufmerksam bin, kann ich spüren, wie sein Glitzer meine Kopfhaut kitzelt, und lenke ich dann meinen Blick in die richtige Richtung, sehe ich auch den Klatschmohn, wie er mir leuchtend rot zulächelt und zu sagen scheint: du musst nichts werden, du bist es schon.

Was das Gemüt meiner Gefährtin Frau Graugans heute bewegt, das finden Sie hier.

8 Kommentare zu “(#8): Sternenstaub und Klatschmohnrot.

  1. Ein wunderschöner Text…
    lg Wolfgang

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  2. Pingback: #8 Verwunschen | Graugans

  3. Hach, schön…!

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  4. Aufblühendes Gutgehen ❤
    Nach alledem – dss freut mich!

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  5. Wirklich schön geschrieben, und der Springsteen hüpft und singt und rockt mit allem was er hat! Wie die Sonne scheint er. Ich mag die Konzerte sehr. Ich wünsche euch viel Spaß!

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    • So ist es, und ein stimmungsvolleres Mittsommerspektakel hätt‘ ich mir nicht erträumen können.
      Freut mich zu lesen, dass du ihn auch magst!

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